«Unsere Schüler und Schülerinnen haben sich mit Corona gut arrangiert!»

    Alex Hürzeler ist seit über 10 Jahren im Aargauer Regierungsrat: herausfordernd, schön und abwechslungsreich – so seine Bilanz. Zu seinen momentanen Herausforderungen zählen nebst der Pandemie, die strukturelle Veränderung der Aargauer Schullandschaft, der neue Aargauer Lehrplan sowie die Projektierung einer Kantonsschule im Fricktal. Der Vorsteher des Departementes Bildung, Kultur und Sport BKS appelliert an die Unternehmer, Jugendlichen im Berufswahlprozess zu unterstützen und Schnupperlehren trotz Corona zu ermöglichen.

    (Bild: © Kanton Aargau / Foto: dominik golob photography) Als Kulturdirektor rühmt Alex Hürzeler die vielfältige Aargauer Kulturlandschaft: «Eine Entdeckungstour durch unseren Kanton lohnt sich!»

    Sie sind schon seit 2009 Regierungsrat. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Amt gemacht?
    Alex Hürzeler: Ich greife zwei Aspekte auf: Der Kanton Aargau ist zum einen der Kanton der Regionen, das spürt man auch als Regierungsrat, zum Beispiel in Gesprächen mit der Bevölkerung an verschiedenen Anlässen. Es ist gut so, dass der Aargau nicht zentralistisch funktioniert, denn die regionale Identifikation ist gross und ausgeprägt. Zum anderen hat jede meiner bisherigen Amtszeiten ihre eigene Prägung. Von wirtschaftlicher Prosperität, über finanzielle Herausforderungen, bis hin zur Corona-Pandemie, es gibt fast kein courant normal. Das macht das Amt des Regierungsrats herausfordernd, aber auch schön und abwechslungsreich.

    Welche markanten Projekte würden Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit einordnen?
    In sämtlichen Bereichen meines Departements – Bildung, Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen, Kultur und Sport – gab es in meiner bisherigen Amtszeit eine Vielzahl an prägenden Geschäften und Projekten. Ich fokussiere mich auf die folgenden vier: Im Bereich der Volksschule war die strukturelle Veränderung mit dem Wechsel von 5 Jahre Primar/4 Jahre Oberstufe auf 6 Jahre Primar/3 Jahre Oberstufe und dem neuen, zweijährigen Kindergartenobligatorium sehr markant. Auch der Ersatz der Schulpflegen durch den Gemeinderat, der aktuell vorbereitet wird, ist einschneidend. Für den Hochschulstandort Aargau von enormer Bedeutung war der Bau des Campus Brugg-Windisch der Fachhochschule Nordwestschweiz. Schliesslich hat mich auch das Präsidium des Eidgenössischen Turnfests in Aarau, das 2019 stattfand, ab 2010 rund zehn Jahre begleitet.

    Ein Mammutprojekt in den letzten Jahren war der neue Aargauer Lehrplan, der auf dem Lehrplan 21 basiert und nun in Kraft ist. Wie ist dieses Projekt in der Praxis angelaufen?
    Der Aargau hat sich bei der Erarbeitung des neuen Aargauer Lehrplans bewusst viel Zeit gelassen und Verbände und weitere Anspruchsgruppen partizipativ einbezogen. Auch die Einführung ist keine Hauruck-Übung, sondern erfolgt seit Schuljahr 2020/21 gestaffelt über drei Jahre. Die sorgfältige Vorbereitung und Umsetzung zahlt sich aus: Die bisherigen Rückmeldungen sind positiv und das Vorhaben ist auf Kurs.

    Was sind die momentanen Herausforderungen beim neuen Aargauer Lehrplan?
    Der neue Lehrplan beinhaltet verschiedene neue Fächer wie zum Beispiel ‹Medien und Informatik› ab der 5. Klasse der Primarschule oder ‹Wirtschaft, Arbeit, Haushalt› an der Oberstufe und löst in den Schulen generell einen pädagogischen Entwicklungsprozess aus. Die Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz unterstützt die Lehrpersonen und die Schulen dabei mit diversen Weiterbildungs- und Beratungsangeboten.

    Was sind weitere Reformen in der Aargauer Schullandschaft, die unmittelbar in Angriff genommen werden müssen?
    Da gibt es vieles zu sagen! Auf dieses Schuljahr hin konnten an der Volksschule zwei bedeutende und sorgfältig vorbereitete Vorhaben eingeführt werden: Der neue Aargauer Lehrplan sowie die neue Ressourcierung, die den Schulen bei der Verwendung der finanziellen Mittel mehr Gestaltungsraum ermöglicht. Zudem wurde die kantonale Qualitätskontrolle eingeführt, die die externe Schulevaluation abgelöst hat.

    Zusätzlich bereiten wir aktuell im Bereich der Volksschule in ausgewählten Gemeinden Pilotprojekte vor zur Deutschförderung vor dem Kindergarten. Wie bereits angesprochen wird derzeit in den Gemeinden auf Anfang 2022 die Ablösung der Schulpflegen durch den Gemeinderat vorbereitet. Ebenso tritt auf dann gesamtkantonal ein neues Lohnsystem für die Lehrpersonen und Schulleitungen in Kraft, mit welchem die Wettbewerbsfähigkeit der Aargauer Löhne wieder deutlich verbessert wird. Und fortlaufend gilt es, die Möglichkeiten der Digitalisierung in den Schulen in geeigneter Form zu nutzen.

    An den Mittelschulen müssen wir uns auf das grosse demografische Wachstum der Schülerzahlen mit über 30 Prozent in den kommenden 25 Jahren vorbereiten. Dazu sind zwei neue Kantonsschulen vorgesehen, eine im Fricktal und eine im Aargauer Mittelland.

    Wie hat bis jetzt die Aargauer Schullandschaft Corona überstanden, wie sieht da Ihre Bilanz aus?
    Äusserst positiv. Trotz den widrigen und erschwerenden Umständen mit vielen einzuhaltenden Schutzmassnahmen, Quarantäneanordnungen und phasenweise gar Fernunterricht, meistern die Aargauer Schulen die Coronapandemie sehr gut. Ein grosser Dank gilt allen Lehrpersonen, Schulleitungen und Verantwortlichen vor Ort, die ein ausserordentliches Engagement und eine bemerkenswerte Flexibilität zeigen. Freude bereitet mir auch, dass die Schülerinnen und Schüler sich mit der speziellen Situation gut arrangiert haben und mit ihrem verantwortungsvollen Verhalten den Schulbetrieb unterstützen. Unser grosses gemeinsames übergeordnetes Ziel ist und bleibt, dass wir den Präsenzunterricht aufrechterhalten können.

    Wie halten Sie das Coronavirus in den Volks-, aber auch Maturitäts- und Berufsschulen erfolgreich in Schach?
    Die Massnahmen, die vom Bundesrat, den Gesundheitsbehörden oder dem Aargauer Regierungsrat verordnet werden, haben immer den Schutz des Schulpersonals sowie der Schülerinnen und Schüler und die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts zum Ziel. Daher sind zum Beispiel das Einhalten der Hygieneregeln und insbesondere die Maskentragpflicht ab den 5. Klassen der Primarschule sowie für das gesamte Schulpersonal besonders wichtig. Natürlich hoffe ich, dass wir die Schutzmassnahmen mit der Zeit wieder lockern können, doch gilt es weiterhin vorsichtig zu sein. Zudem planen wir grossflächig freiwillige repetitive Tests an Schulen, um frühzeitig lokale Ausbrüche des Coronavirus zu erkennen und die damit verbundenen Klassenquarantänen oder gar Schulschliessungen möglichst vermeiden zu können.

    Gerade auch die Berufsbildung leidet arg unter Corona, sprich Schnuppern, Lehrabschlussprüfungen etc. Was unternimmt der Kanton, damit Lernende und Lehrabgänger in diesem Jahr dieselben Chancen für eine berufliche Zukunft haben wie ihre Vorgänger?
    Der Kanton Aargau hat bereits früh die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Berufsbildung und die berufliche Orientierung der Jugendlichen erkannt. Wir haben früh die betroffenen Verbände kontaktiert und gemeinsam Unterstützungsmassnahmen auf die Beine gestellt. So sind unter anderem bei den Gesundheits- und Bewegungsförderungsberufen, der Veranstaltungsbranche und auch in der Aargauer Gastronomie und Hotellerie tolle Praxis-Projekte realisiert worden.

    Apropos Schnuppern: Aufgrund der geltenden Schutzmassnahmen sind viele Firmen und Branchen derzeit leider sehr zurückhaltend mit dem Anbieten von Schnupperlehren und Praktika. Ich richte daher einen starken Appell an die Verantwortlichen in den Firmen, den Jugendlichen, die nun mitten im Berufsfindungsprozess stehen, trotz Corona-Einschränkungen Hand zu bieten und sie durch einen Einblick in Ihren Betrieb in der Berufswahl zu unterstützen.

    In den Kantonen Zürich und Basel erhalten die Kulturschaffenden für drei Monate ein vorübergehendes Grundeinkommen. Plant der Kanton Aargau auch ein solches Unterstützungsprogramm und ist dies nicht ein zweischneidiges Schwert?
    Der Kanton Aargau hat für Kulturschaffende seit Beginn der Pandemie bereits zwei Unterstützungspakete lanciert. Diese bauen auf Ausfallsentschädigungen auf, berechnet nach nationalen Vorgaben. Ein Wechsel der Berechnungsform hin zu einem vorübergehenden Grundeinkommen wie es die Kantone Zürich und Basel temporär vorsehen, plant der Aargau wie auch die allermeisten anderen Kantone nicht.

    Wie würden Sie die Kulturlandschaft des Aargaus beschreiben, respektive wo findet man die Perlen?
    Im Aargau bilden die Kleinstädte in den Regionen die kulturellen Ankerpunkte mit einer lebendigen Kulturszene und einer vielfältigen Kulturlandschaft. In unserem Kanton gibt es ausserdem herausragende kulturhistorische Schätze, wie die zum UNESCO-Welterbe gehörenden Pfahlbauten im Hallwilersee, das Erbe der Römer und Habsburger oder die prägenden Zeugnisse der Industriegeschichte. Hinzu kommen weit über den Aargau hinausstrahlende Institutionen wie das Stapferhaus in Lenzburg, das Aargauer Kunsthaus und natürlich Museum Aargau mit seinen historischen Standorten. Ich kann nur sagen: eine Entdeckungsreise durch unseren Kanton lohnt sich für Jung und Alt!

    Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für Ihr Department in diesem Jahr gesetzt?
    Aktuell steht in meinem Departement wie auch in der Gesamtverwaltung des Kantons Aargau die Unterstützung aller Betroffenen in der Bewältigung der Coronakrise im Zentrum. Im Bereich der Volksschule ist nach den diversen Reformen und Projekten nun dringend eine Phase der Konsolidierung angesagt. Und im Bereich der Mittelschulen steht dieses Jahr die Diskussion und Festlegung des Standorts sowie der Start zur Projektierung einer Kantonsschule im Fricktal im Vordergrund. Diese soll ihren Betrieb im Schuljahr 2029/30 aufnehmen.

    Interview: Corinne Remund

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