«Ein Grossteil der Bevölkerung vertraut der heimischen Landwirtschaft»

    Christoph Hagenbuch, Präsident Bauernverband Aargau, will die Bevölkerung mit dem Buurelandweg in Oberflachs für die Landwirtschaft und ihre Anliegen sensibilisieren. Hier spricht er über Zielkonflikte, «Food Waste», die Herausforderungen der Aargauer Bäuerinnen und Bauern sowie über die zwei extremen Agrarinitiativen vom 13. Juni.

    (Bild: zVg) Christoph Hagenbuch, Präsident Bauernverband Aargau, setzt sich für eine zukunftsträchtige Aargauer Landwirtschaft ein.

    Der Buurelandweg ist ein Projekt, das Wissen rund um die Landwirtschaft vermittelt. Wie erleben Sie das Bewusstsein der Aargauer Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft?
    Christoph Hagenbuch: Die Aargauer Bevölkerung hat grundsätzlich eine gute Einstellung zur Landwirtschaft. Auch wenn es in den Medien einen anderen Anblick macht, ein Grossteil der Bevölkerung vertraut der heimischen Landwirtschaft. Und dies zu Recht. Die Bauern arbeiten im Einklang mit der Natur und produzieren auf nachhaltige Weise gesunde Lebensmittel.

    Was ist am Buurelandweg in Oberflachs besonders?
    Das Lernen und Erleben inmitten der Natur und Landwirtschaft. Vom Startpunkt beim geschichtsträchtigen Schloss Kasteln aus begibt man sich auf eine wunderschöne Wanderung im Schenkenbergertal. Dabei passiert man verschiedene Posten, an welchen spannende Fakten über die heutige Landwirtschaft sowie den für die Region wichtigen Weinbau in spielerischer Art und Weise gelernt werden können.

    Für welche Themen in der Landwirtschaft muss die Bevölkerung noch mehr sensibilisiert werden?
    In der Landwirtschaft bestehen Zielkonflikte. Das ist vielen Konsumenten nicht mehr bewusst. Je schöner ein Apfel im Laden sein muss, desto mehr Pflanzenschutzmittel benötigt dieser bei der Produktion. Je uniformer die Rüebli im Laden aussehen sollen, desto mehr «Food Waste» geschieht im Produktionsprozess, indem die krummen Rüebli vorgängig aussortiert werden müssen.

    Wie geht es der Aargauer Landwirtschaft?
    Der Landwirtschaft geht es gut. Sie ist nachhaltig, innovativ und leistungsfähig. Gleichzeitig gelingt ihr der Spagat zwischen Nahrungsmittelproduktion und der Erbringung von ökologischen Leistungen wie dies von der Politik gefordert wird, sehr gut.

    Welches sind die grossen Herausforderungen für die Aargauer Landwirtschaft?
    Auf Betriebsebene: Der Erhalt des Betriebes und die Nachfolgeplanung. Auf kantonaler Ebene: Die Tatsache, dass die Landwirtschaft aktuell für fast jedes Problem der Prügelknabe ist. Stichwort Insektensterben: Seit 20 Jahren steigen die Biodiversitätsförderflächen auf den Landwirtschaftsbetrieben in Menge und Qualität. Gleichzeitig leidet die Biodiversität gesamtheitlich. Vielleicht liegt das nicht an der Landwirtschaft, sondern zum Beispiel an der Bautätigkeit, den öden Steingärten in den Quartieren oder dem gesteigerten Verkehrsaufkommen?

    Am 13. Juni stimmen wir über die beiden Agrarinitiativen ab. Welches sind die Hauptargumente der Aargauer Bauern dagegen?
    Die beiden Initiativen sind extrem und kontraproduktiv. Sie führen dazu, dass die inländische Nahrungsmittelproduktion um bis zu 40 Prozent sinken wird. Dieses Essen müsste zukünftig aus dem Ausland herangekarrt werden. Das ist weder sozial noch nachhaltig. Gleichzeitig wären im Aargau rund 15’000 Arbeitsstellen im Lebensmittelsektor akut gefährdet. Die Lebensmittel würden in der Schweiz massiv teurer und die Wahlfreiheit der Konsumenten würde eingeschränkt.

    Was bedeutet eine Annahme für die Aargauer Landwirtschaft?
    Viele in den vergangenen Jahren erfolgte Bestrebungen für mehr Nachhaltigkeit würden aufs Spiel gesetzt und viele Betriebe wären in ihrer Existenz bedroht.

    Wie sieht die Zukunft der Aargauer Landwirtschaft aus?
    Kurz- und mittelfristig müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Aargauer Landwirtschaft zukunftsfähig bleiben kann. Die Landwirtschaft kann nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen. Langfristig wird sich die Landwirtschaft wieder vermehrt ihrem Kerngeschäft zuwenden: Die Weltbevölkerung wächst rasant. Diese Menschen müssen ernährt werden und wir Landwirtinnen und Landwirte produzieren diese Nahrung. Insofern spielen wir eine zentrale Rolle für die Zukunft aller Menschen. Bei steigendem weltweitem Bedarf an Nahrungsmitteln werden diese knapper werden. So wird auch in der Schweiz das Bewusstsein und die Wertschätzung für eine lokale Nahrungsmittelproduktion wieder steigen.

    www.bvaargau.ch

    Interview: Corinne Remund

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